Wie die Profis in Salta und Jujuy

Innerhalb des Jahres haben wir Freiwilligen 24 Urlaubstage, die wir natürlich alle dazu nutzen möchten, durch Reisen das Land und die Kultur besser kennenzulernen. Letzte Woche machte ich mich also mit meiner Mitfreiwilligen Ina auf zu meiner ersten Reise. Wir hatten uns als Ziel den Norden Argentiniens ausgesucht, genauer gesagt die Provinzen Salta und Jujuy. Der Norden ist die Region des Landes, in der die meisten Nachfahren indigener Gruppen leben. Außerdem freuten wir uns auf eine schöne Landschaft, von der uns schon viel erzählt wurde.

Wie wahre Argentinier hatten wir für unsere Reise außer den Zielen nichts vorbereitet. Das Busnetz in Argentinien ist sehr gut ausgebaut, weshalb man in jeder größeren Stadt einfach zum Terminal gehen kann und sich dort an einem der zahlreichen Schalter ganz leicht ein Ticket für den nächsten Bus sonst-wo-hin buchen kann. 13 Stunden dauerte die Fahrt von Córdoba nach Salta, was allerdings schlimmer klingt, als es ist, da es in eigentlich jedem Bus sogenannte cama(Bett)-Plätze gibt, die wirklich bequem sind und man dadurch gut ein paar Stündchen schlummern kann. Außerdem wird man je nach Buslinie auch mit Essen versorgt: Wir konnten uns über ein leckeres Snackpaket mit Käse-Schinken-Burger, Kräcker, ein Zuckergetränk und Butterkekse freuen.
Die Stadt Salta gefiel uns beiden sehr gut! Es fahren zwar viele, viele Autos und die Straßen sind relativ eng und dreckig, dafür punktet Salta aber mit einem schönen Zentrum und einem Wanderweg zu einem Aussichtspunkt über die ganze Stadt. Der typische Platz, den Salta, aber auch jede andere argentinische Stadt besitzt, ist mit vielen Palmen bepflanzt und von schicken Gebäuden umgeben. Wir besuchten die riesige Kathedrale und das Museum, in dem drei Kindermumien ausgestellt werden, die vor ca. 500 Jahren von den Inkas auf dem Vulkan Llullaillaco (Schuschaischaco) geopfert wurden. Vor wenigen Jahrzehnten fanden Bergsteiger und Archäologen Opferstätten auf dem Vulkan und kurze Zeit später wurden auch drei Kinder ausgegraben, die durch die Kälte so gut konserviert wurden, dass sie jetzt noch so aussehen, als würden sie jeden Moment aufwachen. Es wird immer nur ein Kind ausgestellt, bei uns handelte es sich um einen ungefähr 6-jährigen Jungen, der mit Federn und Schnüren geschmückt war und im Schneidersitz saß, geopfert wurden angeblich die besonders schönen Kinder. Es war jedenfalls ziemlich beeindruckend, aber auch gruselig dieses Kind anzuschauen. Generell haben wir durch die Ausstellung aber gut etwas über die Inkas gelernt, auch wenn wir aus irgendwelchen Gründen meinen heiligen Übersetzer nicht zum Übersetzen der spanischen Texte nutzen durften…
Pünktlich zum Sonnenuntergang machten wir uns dann auf zum Aussichtspunkt, den man entweder mit einer Gondel, mit dem Auto oder zu Fuß erreichen kann. Selbstverständlich haben wir uns für die kleine Wanderung vorbei am Guelmes-Denkmal entschieden, die zwar länger und anstrengender war, als erwartet, aber sich letztendlich wirklich gelohnt hat! Man hat von oben einen genialen Blick über die Stadt und kann den Sonnenuntergang über den Bergen ansehen und später beobachten, wie langsam alle Lichter in den quadratischen Straßen angehen. Es war echt wunderschön! Schade nur, dass Ina ihr Mate-Zeug aus Platzgründen leider nicht mitgenommen hatte. Übrigens wurden wir von den Argentiniern auf der Aussichtsterrasse direkt als Holländer enttarnt.
Unser nächstes Ziel sollte der Nationalpark Caliliegua sein, ein subtropischer Bergnebelwald, der mit seiner großen Artenvielfalt lockt. Wir standen sehr früh auf, damit wir viel Zeit zum Wandern im Park am Rand der Anden hatten. Die Anfahrt war nämlich relativ kompliziert, da der Park anscheinend nicht der größte Touristenmagnet ist. Wir stiegen in etwas merkwürdigen Städten um, in denen wir blonde chicas uns fast wie Außerirdische fühlten. Der Nationalpark war letztendlich leider auch kein wirklicher Erfolg. Bei starker Hitze stapften wir mit unseren großen Rucksäcken durch den ziemlich hoch gelegenen Wald, überquerten den Fluss mit eleganten Sprüngen, kämpften uns durch Mückenschwärme und hielten währenddessen die ganze Zeit Ausschau nach Jaguaren, Pumas, Tukanen und Schweinchen. Die einzigen Tiere, die wir letztendlich gesehen haben, waren ein paar schöne Schmetterlinge, eine kleine Eidechse und schwarz-gelbe Vögel, die Inas Apfel aus der Hand geklaut haben. Wir wurden dann hundemüde netterweise von einer Familie mit nach San Salvador de Jujuy mitgenommen, von wo aus wir nach Purmamarca weiter fuhren. Im Bus lernten wir einen Spanier kennen, durch den wir feststellten, wie ungewohnt uns das spanische Spanisch inzwischen schon vorkommt. Das Dorf Purmamarca, das zu der Schlucht Quebrada de Humuhuaca gehört, ist zwar touristisch, aber dennoch sehr schön und ursprünglich. Wir trafen zufällig einen Chilenen auf der Straße, der uns daraufhin mehrmals in sein Restaurant zum Essen mit seinen Freunden einlud (sogar zum asado!). Von Purmamarca aus haben wir uns einer kleinen Touri-Fahrt zu den Salinas Grandes angeschlossen und konnten nachdem wir uns dreist die Premium Plätze ganz vorne im Transporter geschnappt hatten, bei einer ungefähr einstündigen Fahrt zu der Salzwüste, wunderschöne Landschaft und llamas (ausgesprochen Schamas) betrachten. Die Wüste liegt auf 3500 Metern und ist ernsthaft beeindruckend. Salz, soweit das Auge reicht und zwischendurch eckige Becken mit türkisem Wasser. Zurück in Purmamarca ließen wir uns von einem Einheimischen noch einen Ort zeigen, von dem man auf das süße Dorf vor dem Berg der sieben Farben schauen kann. In der ganzen Quebrada de Humuaca gibt es aufgrund von Metalleinlagerungen (wie uns ein Goldschmied erklärte) bunte Berge, aber am schönsten ist angeblich der Hügel in Purmamarca, den wir dann auch noch bei einer kleinen Wanderung umrundeten.
Wir schlenderten abends auch noch durchs Dorf und kauften die einen oder anderen Schätze auf dem großen Touri-(Abzocker?)-Markt im Zentrum.
Unser nächstes und letztes Ziel war Tilcara, ein bisschen nördlicher, aber auch noch in der Quebrada de Humuhuaca gelegen. Dort schauten wir uns zunächst die Pukará Ruinen an, die auf einem Hügel neben dem Dorf liegen. Die kleinen Steinhäuser mit Kakteenholz als Dachbalken waren wirklich faszinierend, jedoch war ich viel mehr von den tausenden Kakteen begeistert, die auf dem ganzen Hügel wachsen. Ich glaube Ina hat sogar fast verstanden, wie toll ich die Kakteen finde, nachdem ich ihr ungefähr 3000-mal erzählt hatte. (Die waren aber auch einfach riesig und grün und überall!!!) Außerdem schlenderten wir auch in Tilcara über den Touristen-Markt, kauften sehr, sehr leckere, argentinische Berliner und aßen in einer sehr chilligen Bar eines Typis, der uns viel über argentinische Musik erzählen konnte. Abends merkte ich, dass ich mir während der Ruinenbesichtigung leider den stärksten Sonnenbrand meiner Geschichte geholt hatte und durch eine allergische Reaktion (?) dann kaum noch laufen konnte. Trotzdem entschieden wir uns am letzten Tag noch schlauerweise in der Mittagshitze zur Garganta del Diablo (Teufelsschlucht) zu wandern. Der Weg war komplett in der Sonne, meine Beine zwiebelten und wir waren uns die ganze Zeit nicht sicher, wie lange wir noch gehen müssen. Letztendlich sind wir glaube ich nicht bis zum schönsten Teil der Schlucht gekommen, konnten allerdings von oben hineinschauen, bevor wir uns auf den Rückweg ins Dorf machten. Dann mussten wir uns auch schon zum Terminal begeben, um den Rückweg nach Córdoba über Salta anzutreten. Eine schöne Überraschung war, dass wir im Bus oben ganz vorne Plätze gebucht hatten und dadurch die Quebrada noch einmal von ihrer schönsten Seite betrachten konnten.

Insgesamt war es eine sehr abwechslungsreiche Reise mit viel Höhentraining und wenig Ruhe. Wir hatten viel, viel Spaß wie Abenteurerinnen jeden Tag woanders zu sein und hätten gut noch ein paar Wochen so weiter machen können. Wir waren auch sehr stolz darauf, wie perfekt einfach alles funktioniert hat, obwohl wir nichts geplant hatten.
Die Landschaft im Norden hat uns wirklich, wirklich beeindruckt! Wie eine andere Welt, die mit gutem Grund von vielen Touristen besucht wird. Trotzdem behalten die Orte auf jeden Fall ihre Authentizität und die Einheimischen empfangen sicherlich nicht nur uns so herzlich und aufgeschlossen.
Auch wenn es insgesamt nur eine Woche war, die wir in Salta und Jujuy verbracht haben, haben Ina und ich einfach so viel gesehen, erlebt und entdeckt, dass wir ohne Frage zu wahren Travellern geworden sind. Ein wahrer Traveller beschwert sich nämlich nicht über zu schwere Rucksäcke, freut sich über Bekanntschaften mit Einheimischen, kriegt spontan den besten Bus zum Schnapperpreis, genießt den Ausblick mal mit und mal ohne Fotosession, handelt auf dem Markt bis es ein regalito (Geschenkchen) dazu gibt, schmiert sich Brote mit Miniaturtaschenmessern und entdeckt die schönsten Orte, die auf Fotos leider gerade einmal halb so lindo aussehen.
Jetzt sind wir jedenfalls zurück in San Marcos und ich freue mich nun umso mehr, in den nächsten Monaten weitere Teile des Landes zu erkunden.